Alltage

Unsere Waschmaschine ist ein wildes Tier /

Unsere erste Waschmaschine hatten wir von meiner Schwester. Sie war schon fünfzehn Jahre alt und lief noch zehn weitere Jahre, bis sie bei einem Gewitter teilweise explodierte. Man konnte das Geschirr auf ihr stehen lassen, während sie schleuderte.

Unsere zweite Waschmaschine hatte nach vier Jahren ihren ersten Totalschaden. Ein Stoßdämpfer riss sich los, sie sprang herum, zerfetzte den Wasserschlauch und flutete die Küche. Die Ersatzteile kosteten zweihundert Euro. Nach weiteren drei Jahren war das Lager für die Trommel kaputt.

Zu unserer dritten Waschmaschine sagte der Verkäufer: „Keine Sorge, die Technik ist ausgereift.“ Wir hätten einer Maschine mit dem Namen „Titan“ nicht trauen sollen. Auch bei dem gleichnamigen Schiff hieß es, die Technik sei ausgereift. Unsere Titanic verzeiht keine Unebenheit. Wenn die Trommel beim Schleudern eiert, schleudert sie langsamer, fängt noch mal von vorn an oder schaltet sich komplett aus. Eher selten, aber doch immer mal wieder, tanzt sie durch die Küche und reißt alles um, was ihr in den Weg kommt. Wir haben sie millimetergenau justiert und eine gut fünfzehn Kilo schwere Gehwegplatte auf sie drauf gelegt. Das sieht nicht schön aus, aber es hilft. Trotzdem schauen wir, wenn dieses ausgereifte Spitzenprodukt seine Arbeit verrichtet, immer mal wieder vorbei. Denn den Stecker zieht sie erst, wenn sie zwei Meter von der Wand weg ist.

3 Kommentare

  1. Nun ja, verständlicher Ärger … Aber…, an dieser Stelle müssen wir die Dinge schon etwas differenzierter sehen. Schauen wir mal ins Innenleben. All die rebellischen Teile aus China. Kampf um Freiheit… und dann die Gehwegplatte?

    1. Hallo Usi,

      es war nicht meine Absicht, die innere Rebellion der Waschmaschine mit einer Gehwegplatte zu unterdrücken. Aber vielleicht erfordert der Text ein paar Erklärungen, schließlich sehen wir die Welt aus der Perspektive unserer Erfahrungen, der Fachbegriff dafür ist „shifting baselines“. Die Erfahung aufgrund der aktuellen Baseline könnte momentan lauten, dass Waschmaschinen sieben Jahre halten. Von einer früheren Basislinie ergeben sich zwanzig Jahre. Das hat nichts mit Nostalgie zu tun.
      Bei der zweiten der erwähnten Waschmaschinen handelt es sich ein Modell von Bauknecht. Als ich mit den kaputten Stoßdämpfern im Elektroladen aufgetaucht bin, hat mich der Chef staunend angeschaut und gesagt: „Jetzt bauen die auch schon so einen Mist in ihre Maschinen.“ Die neue, „Titan“, ist eine Maschine von Bosch. Die Trommel ist, wie heute üblich, nur noch mit den Stoßdämpfern und am Dichtungsring der Ladeklappe, befestigt. Wenn man da ein einzelnes Handtuch mit wäscht, eiert die Trommel. Also muss man beim Befüllen eine schöne Mischung aus schweren, leichten, großen, kleinen, saugfähigen und weniger saugfähigen Wäschestücken zusammenstellen.
      Das geht gar nicht gegen die (vielleicht) aus China stammenden Bauteile, sondern gegen die deutschen Ingenieure, die so etwas konstruieren. Lebensdauer sieben Jahre. Das ist ein Witz. Und gleichzeitig reden alle von Nachhaltigkeit. Eine teure Mogelpackung.

      1. Hallo Ria,
        Wegen dem Begriff „shifting baseline“ bin ich ins Grübeln gekommen.
        Also, als Ingenieur würde ich nicht etwas bauen wollen, was bald kaputtgeht! Als Kaufmann ja, Kosten minimieren, Gewinn erhöhen und Umsatz machen durch erzwungene Neuanschaffung oder Reparaturen und Ersatzteile. Auf Kosten der Umwelt und der Nachhaltigkeit.

        Nachhaltigkeit, ich glaube, das ist eine baseline, die nicht zum Shiften ist. —

        Unsere Maschine X war auch bald kaputt, so wie Deine. Uns war klar, die kaufen wir nicht mehr, jetzt kaufen wir Y.
        Waschmaschine, Marke X, Y, Z, die werden im gleichen Werk produziert., sagte mir ein Kundendienstler. Er war auch sauer über das, womit er sich rumärgern mußte.
        Na, jetzt schmeiß ich aber noch meine T-Shirts rein und dreh den Wasserhahn auf. Auf einem steht gedruckt „Fuck of with the Anglizisms“.
        🙂

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