Poetikon

Wannseekonferenz – ruhig, beherrscht, ordentlich /

Achtzig Jahre nach der Wannseekonferenz sendet das ZDF einen Fernsehfilm über das Treffen am 20. Januar 1942. Fünfzehn hohe Mitglieder der nationalsozialistischen Regierung und SS-Behörden legten in knapp neunzig Minuten fest, wie die Vernichtung von elf Millionen europäischen Juden zu organisieren sei. Der Film richtet sich wie die früheren Verfilmungen nach dem, was im Protokoll des Treffens festgehalten und was Adolf Eichmann bei seinem Prozess in Jerusalem dazu ausgesagt hat.

Alle Zeitungen und Radiosender sind voll des Lobes. Großartig die aus vielen anderen Filmen bekannten Schauspieler, meisterhaft die Darstellungsweise, die der Regisseur gewählt hat: „ruhig, beherrscht, ordentlich“, eine Übersetzung des Bösen in eine banale Vorstandssitzung, wie sie tagtäglich stattfindet. Aber auch in eine harmlose Ästhetik der Oberfläche: Glänzende Autos und Möbel, elegante Bürokraten, hohe Funktionäre mit guter Erziehung. Ganz normale Männer, gemessen an den Umständen der Zeit. Keine Spur von Pathologie. Kein Hauch von krimineller Energie. Männer, die ein paar Jahre danach behaupten werden, keine Entscheidungsträger und somit für nichts verantwortlich gewesen zu sein. Beamte, die später eine kleine Geldstrafe bezahlen müssen, die erfolgreich die Pension für ihre Position als Ministerialdirektor einklagen oder Konrad Adenauer beraten werden.

Der Film folgt der Einsicht, dass das Böse nicht nur dämonisch, sondern auch banal sein kann. Es sieht hier sogar so aus, als wäre es nur ein kleiner Schritt von der Banalität des Bösen zu seiner Normalität. Doch ist dieser Abstand nicht groß? Die Banalität des Bösen lässt Platz für ethische Maßstäbe. Im Schutz der Normalität hingegen kann die Behauptung gedeihen, alles richtig gemacht zu haben, weil man sich so verhalten hat, wie alle anderen auch. Was bleibt, ist der Eindruck, einen Film gesehen zu haben, der Vergangenheit vergegenwärtigen soll und dabei viel über die Zeit aussagt, in der er gedreht wurde.

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